Artikel in der Unterland Zeitung vom 25. November 2022

Artikel in der Unterland Zeitung vom 21. Januar 2022

Bülach. Es ist Punkt 14 Uhr, als ich den Uhren-Laden von Mathias Schneider in Bülach betrete. Und ich werde von einem regelrechten Konzert begrüsst – die verschiedensten Uhren künden die volle Stunde mit Musik und Stundenschlag an und da natürlich im Laden auch die Kuckucksuhren nicht fehlen, höre ich auch den beliebten «Holz»-Vogel aus allen Ecken rufen. «Ich höre das schon gar nicht mehr», lacht indes Mathias Schneider. Der gelernte Feinmechaniker und Ingenieur der Feinwerktechnik aus dem Schwarzwald hat sich schon seit vielen Jahren den Uhren verschrieben. 2015 wagte er dann den Schritt in die Selbständigkeit und machte sein Hobby zum Beruf. Sein Uhrenimperium in Bülach ist seit da stetig gewachsen und es gibt fast nichts, was es nicht gibt in der Reparatur-Werkstatt & Uhrenatelier M. Schneider an der Alten Winterthurerstrasse 5. Wer eine Uhr ab Baujahr 1750 bis heute sucht, der könnte fündig werden. Einen Trend hin zu einer ganz bestimmten Uhr könne er nicht wirklich sagen, «die Wünsche sind sehr unterschiedlich». Doch nicht nur der Verkauf macht Schneider Freude. Er verbringt auch viel Zeit in seiner Reparaturwerkstatt. «Ich repariere alles», meint Schneider stolz. Von antik bis modern, gross oder klein. Und Ersatzteile, welche nirgends mehr zu finden sind, die macht er kurzerhand selber. Vor allem das Reparieren von antiken Uhren mache ihm viel Freude. Sicherlich sei da der Aufwand manchmal gross. Aber der emotionale Wert, welchen solche Uhren manchmal hätten, da sie Familienerbstücke mit Geschichte seien, der spiele eine grosse Rolle. Vielfach seien es Verschleissteile, welche es zu reparieren gebe. Aber auch viele andere Sachen in der komplexen Innenwelt einer Uhr können Schaden nehmen.

Besser gleich zum Fachmann

«Es ist meist besser, wenn man eine defekte Uhr gleich zum Fachmann bringt, als selber etwas auszuprobieren», weiss er aus Erfahrung. Seine Werkstatt ist indes für alle Fälle ausgerüstet und bringt so gut wie jeden Zeiger wieder auf Trab. Die meist benutzte Maschine für Reparaturen sei die Drehbank. Und, wie könnte es auch anders sein, denn das Tüftlerherz spürt man bei Mathias Schneider sehr schnell heraus, hat er seine benötigte Lehrenbohrmaschine gleich selber aus diversen Einzelteilen zusammengebaut. Zu entdecken gibt es indes im Laden nicht nur Uhren, sondern auch die kleinste mechanische Rechenmaschine der Welt – die Curta, erfunden vom Wiener Curt Herzstark (1902?1988). So schön die Erfindung ist, so unschön ist die Geschichte, wie Herzstark seine Idee umsetzen musste. Als Halbjude wird er in den 40er Jahren ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht, wo er eigentlich mit seinem Leben schon abgeschlossen hat. Dann wird Herzstark aufgrund seiner früheren Arbeiten für die Wehrmacht in das angeschlossene Gustloff-Werk (eine feinmechanische Fabrik der SS) abkommandiert und darf abends und am Sonntag für seine neue, kleine Rechenmaschine zeichnen. Die soll dem «Führer» als Siegergeschenk überreicht werden. Nach der Zeit im KZ sucht Herzstark einen Produzenten für seine Curta und wird im Fürstentum Liechtenstein fündig. Und dass die Curta im Laden von Mathias Schneider steht, das hat seinen Grund, ist dieser doch heute Markenbesitzer und hat natürlich auch alle Ersatzteile für Reparaturen für das kleine Werk parat. Schneider hat aber nicht nur Marken übernommen und kann alles reparieren, er hat auch seine eigene Uhren-Kollektion entwickelt. Und, verrät er, momentan sei er wiederum an einer eigenen Erfindung, den Prototypen würde es bereits geben. Mehr dazu ist dem Mann mit den begabten Händen für die Uhren aber zu diesem Zeitpunkt nicht zu entlocken.

Eine spannende Reise

Doch eines möchte ich doch noch gerne wissen, ob Schneider denn einen persönlichen Favoriten unter den Uhren hat. «Ja», lächelt er, «die Junghans-Uhren sind mein Steckenpferd, da ich ja auch in diesem Betrieb gelernt habe». Er habe eine stattliche Sammlung dieser Uhren. Als ich eine Stunde später das Uhrengeschäft wieder verlasse, bereiten mir all die verschiedenen «Musikanten», Kuckucke und Schlagwerke wieder ein Abschiedskonzert und begleiten mich aus einer spannenden Reise durch die Welt der Zeitmessung.

Autor: Judith Sacchi

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